Das Pronomen ist: man

13.12.2024

Dies ist die letzte Deutsch-Durst-Stillung dieses Jahres!
Heute nehmen wir uns ein Thema vor, das meist entweder übergangen oder missverstanden wird – das Konzept des formalen Subjekts.

Die Standardsprache ist immer anders als die Umgangssprache – oft drückt sie sich ärmer, einfacher, kürzer oder sogar nachlässig aus. Zum Beispiel dieser Satz:
Es ist mir kalt.
Und hier noch einer:
Mir ist es kalt.
Und ein dritter:
Mir ist kalt.

Jeder dieser Sätze ist gleich gut und bedeutet dasselbe.

Die eigentliche Frage lautet, ob das "es" notwendig ist oder nicht. Dies nennen wir ein formales Subjekt. Viele vergessen, warum etwas so ist, was ursprünglich korrekt wäre und was grammatikalisch richtig ist. Ich ringe auch mit meinen Lernenden darum, zu verstehen, dass das "es" in solchen Sätzen zwar ein formales Subjekt ist, aber die Konjugation des Verbs – hier das "ist" und nicht "bin" – wegen des "es" erfolgt. Das "mir" steht nämlich im Dativ und ist kein Subjekt – das "offizielle" Subjekt solcher Sätze ist also eigentlich das "es". Es wird aber nur gebraucht, damit das Verb konjugiert werden kann.

Auf gut Deutsch: Das "mir" ist in diesem Satz kein Subjekt, sondern nur ein Satzglied. Dennoch kann es – genau wie in einem unpersönlichen Passivsatz – in den Vordergrund gestellt werden, wenn der Satz ein hervorhebbares Satzglied enthält. In einem solchen Fall empfindet die gesprochene Umgangssprache das "es" als überflüssig. Siehe:

Es ist mir warm. -> Grundsatz.
Mir ist es warm. -> Ausgenommener Satzteil.
Mir ist warm. -> In Umgangssprache formulierter ausgenommener Satzteil.
Sintemal der Satz jedoch auch ein anderes Satzglied enthält, lässt sich theoretisch auch das "warm" hervorheben – unabhängig davon, dass diese Version im alltäglichen Sprachgebrauch und Schriftverkehr eher ungewohnt ist:  Warm ist es mir. -> Grundsatz mit einem anderen ausgenommenen Satzteil.
Die Umgangssprache "annulliert" in solchen Fällen sozusagen die Präsenz des "es" im Satz:  Warm ist mir. -> In Umgangssprache formulierter ausgenommener Satzteil.

Wenn wir uns an die Standardsprache halten – was übrigens in den meisten Fällen zu empfehlen ist –, dann ist die Version "Es ist mir warm." die korrekteste. Dort, wo das "es" weggelassen wird, handelt es sich meist um ungebildete Muttersprachler. Da es jedoch viele davon gibt, verbreitet sich die umgangssprachliche, nachlässige Variante leider zunehmend und wird letztlich auch offiziell akzeptiert.

Das formale Subjekt tritt in einer Konstruktion mit einem prädikativen Adjektiv auf, das einen Dativ nach sich zieht – am häufigsten in Zusammenhang mit den Adjektiven "kalt" und "warm". Es gibt jedoch auch besondere Adjektive, bei denen diese Struktur vorkommen kann:


Es ist mir bange um dich.
Mir ist es bange um dich.
Bange ist es mir um dich.
Um dich ist es mir bange.

Wir erinnern uns: Je länger ein Satz ist, desto mehr Möglichkeiten haben wir, etwas hervorzuheben. Auch hier kann das "es" weggelassen werden:
Mir ist bange um dich.
Bange ist mir um dich.
Um dich ist  mir bange.

Das Adjektiv ist nicht allzu gebräuchlich – du würdest ihm wahrscheinlich zuerst in einem anspruchsvollen C2-Buch begegnen, wo man auch die dahinterliegende Grammatik versteht. Das Wesentliche ist jedoch, dass das formale Subjekt sowohl bei häufigen als auch bei selteneren Adjektiven vorkommen kann.