Verbkonjugiereung im Altenglischen
Ich habe mich oft von der englischen Sprache enttäuscht gefühlt und fühle mich auch heute noch manchmal so. Trotzdem gibt es eine Seite an ihr, die ich besonders interessant finde und mag: das Altenglische. Warum mag ich es? Und warum finde ich es interessant? Nun, die Sprache entwickelte sich lange Zeit in ihrem eigenen Tempo und degenerierte erst in den letzten 300–400 Jahren zu einer Art neulateinisch-germanischem Mischmasch. Deshalb kann man sagen, dass sie früher eine Logik hatte, die die deutsche Sprache bis heute bewahrt hat, zum Beispiel bei der Konjugation der Verben. Die logische Struktur der Konjugation habe ich, wenn auch informell, versucht, klar darzustellen. Dabei wollte ich auch aufzeigen, wie die englische Sprache ihre Ähnlichkeit mit den Strukturen der germanischen Sprachen bewahrt hat und wie sich die modernen Konjugationsformen des Englischen entwickelt haben. Auf Letzteres gehe ich jedoch nicht ein, da wir es heute noch verwenden. Fakt ist, dass im heutigen Englisch kaum noch echte englische Wörter übrig geblieben sind.

Wie sah die Konjugation im Mittelalter und in den folgenden Jahrhunderten aus? Dieses Thema ist sowohl aus sprachwissenschaftlicher, als auch aus Lern- und Interessensperspektive von Bedeutung, da es aufzeigt, wie sich das Englische entwickelt hat (oder eher zurückentwickelt) und wie es bestimmte Elemente seiner mittelalterlichen Form bewahrt hat – oder eben nicht. Neben den lateinischen, neulateinischen und anderen modernen Einflüssen können wir auch die germanischen sprachlichen Bezüge in diesen Konjugationen und Personalpronomina erkennen, die die Grundlage des heutigen englischen Wortschatzes und seiner grammatikalischen Strukturen wesentlich prägten. Es gibt grundlegend ähnliche Klangstrukturen bei den Verben und Personalpronomen, die uns an das Deutsche erinnern kann.
Personalpronomen:
ic - ich
(Aussprache: ikk)
thou - du
(Aussprache: du)
he/ heo/ hit - er/ sie/es
(Ausprache: hä, häo, hiet)
wē - wir
(Ausprache: we)
yē - ihr/ Ihr
(Ausprache: je)
thiey - sie
(Aussprache: diej)
Wie man sieht, ähnelt es eher dem heutigen Deutsch und enthält sogar eine Höflichkeitsformel, die bis zum Ende des 18. Jahrhunderts auch im Deutschen im Plural der zweiten Person verwendet wurde. Später verschwand im Englischen die Form ,,thou", was man als logischen Fehler betrachten könnte, wenn man sagt, dass Englisch eine Du-Form wäre, da die Form ,,yē", die eigentlich die Höflichkeitsform gewesen war, in die Position der zweiten Person Singular gerutscht ist, es sei denn, sie bekam die Bedeutung von ,,du". So kann man also sagen, dass das Englische im heutigen Sinne nur eine Höflichkeitsform hat. Der Grund, warum wir es dennoch als Du-Form bezeichnen, liegt darin, dass im Ungarischen die Höflichkeitsform im 19. Jahrhundert entstand und zu diesem Zeitpunkt die Form ,,thou" im Englischen bereits ausgestorben war. Man könnte sagen, dass sich die beiden Entwicklungen gerade verfehlt haben. Andererseits ist es so, dass Kommunikation im ,,Du" immer leichter fällt.
Schauen wir uns die Verbkonjugation an!
Wie das Deutsche verwendete auch das Englische feste Verbendungen. In den meisten Fällen war dies eine Endung ,,-an", die der deutschen Endung ,,-en" ähnelte. In seltenen Fällen konnte auch die gleiche Endung ,,-n" wie im Deutschen auftreten, aber generell endeten diese Formen in beiden Sprachen auf denselben Buchstaben, wie zum Beispiel bei der Form des Verbs ,,sein".
Ursprünglich endete die englische Form von ,,sein" auf ,,-n": sīen (sein).
Die Konjugation war, ebenso wie im Deutschen, unregelmäßig:
ic eom - ich bin
-> später ,,em", dann kommt die heutige ,,am" Form
thou beehst - du bist
-> später ausgestorben
he/ heo/ hit is - er/ sie/ es ist
-> sich nicht geändert
wē sindon - wir sind
-> später ,,sind", dann ,,are"
yē sind - ihr seid
-> später ,,are"
thiey sindon - sie sind
-> später ,,sind", dann ,,are"
Typische Verbendungen finden sich beim englischen ,,sein" nicht, möglicherweise könnte man nur die Endung "-n" in den Formen der ersten und dritten Person Plural als solche betrachten.
Besonders an diesem Verb ist, dass es nicht mit einem negativen Hilfsverb kombiniert werden konnte, da es ein eigenes negatives Pendant hatte, das einzigartig unter den germanischen Sprachen ist. Dies war das ,,nīen" (nen).
ic neom - ich bin nicht
-> später ,,nem", dann ,,am not"
thou neehst - du bist
nicht
-> später gestorben
he/ heo/ hit nis - er/ sie/ es ist
-> später is not (isn't)
wē nindon - wir sind
nicht
-> später ,,nind", dann ,,are not (aren't)"
yē nind - ihr seid
nicht
-> később ,,are not (aren't)"
thiey nindon - sie sind nicht
-> später ,,nind", dann ,,are not (aren't)"
Ein solches negatives Verb hat es bei keinem anderen Verb gegeben, was schade ist, dass es ausgestorben ist, da es eine interessante Erscheinung und ein besonderes Merkmal der Sprache darstellte!
Schauen wir uns doch das andere unverzichtbare Verb an, das mit der Endung ,,-an" endet: ,,hæbban".
ic hæbbe - ich habe
thou hæfst
- du hast
he/ heo/ hit hæfd - er/ sie/ es hat
wē hæbban
- wir haben
yē hæbbon - ihr habt
thiey hæbban
- sie haben
Obschon das Verb, ähnlich wie im Deutschen, in Bezug auf den Stammvokal in der zweiten und dritten Person Singular unregelmäßig ist, sind die Verbendungen hier bereits typischer!
Wenn wir also die Endung eines englischen Verbs betrachten:
-e
-st
-d
-an
-on
-an
Diese Endungen setzen wir auf andere Verben. Schauen wir uns an, wie das funktioniert! Nehmen wir zum Beispiel das Verb ,,schreiben".
ic write
thou writst
he/ heo/ hit writd
wē writan
yē writon
thiey writan
Schauen wir uns mal nich das Verb ,,gehen"!
ic gange
thou gangst
he/ heo/ hit gangd
wē gangan
yē gangon
thiey gangan
Kein Zufall, dass im Deutschen die Formen ,,der Gang" oder ,,ist gegangen" ähnlich sind. Ähnlich wie im Deutschen entsprechen die Formen der ersten und dritten Person Plural den unkonjugierten Verben im Infinitiv, wenn sie konjugiert werden! Auf dieser Grundlage könnte man auch die Konjugation der Verben ,,singan" (singen), ,,drincan" (trinken), ,,rǣdan" (lesen), ,,etan" (essen), ,,cuman" (kommen), ,,dōn" (tun) usw. beschreiben.
Aber welche Verben sind unregelmäßig? Ähnlich wie im Deutschen gab es auch im Altenglischen Verben mit Stammvokalwechsel, die sich ebenfalls so verhielten und die gleichen Verben sind, die wir heute noch im Deutschen finden. Zum Beispiel das Verb ,,fahren".
ic fare
thou færst
he/ heo/ hit færd
wē faran
yē faron
thiey faran
Die Buchstabenkombination "æ" entspricht dem deutschen ,,ä", genauer gesagt einer frühen Version davon. Diese wurde im Deutschen und Luxemburgischen durch zwei Punkte über dem ,,a" ersetzt, während die skandinavischen Sprachen sie beibehielten, aber sie ist im Englischen heute verschwunden.
Auf dieser Grundlage könnte man die Verben ,,slēpan" (schlafen), ,,hēldan" (halten), ,,fragan" (fragen), ,,bēcan" (backen), ,,brētan" (braten) usw. nachbilden, da diese Verben in der zweiten und dritten Person Singular ebenfalls den ,,æ"-Stammvokal erhalten. In der Regel reagiert der Buchstabe auf die Vokale ,,ē" und ,,a", wobei es nicht immer der Fall ist, siehe das oben genannte Verb ,,gangan" (gehen)!
Aber nicht nur dieser Buchstabe machte einige Verben unregelmäßig, sondern auch unerwartete Konjugationen können vorkommen, wenngleich diese nicht so komplex sind wie beim Verb ,,sein", da jedes Verb sonst ein eigenes Konjugationssystem hätte, was wenig praktikabel wäre. Außerdem war die komplexe Verbkonjugation für die germanischen Sprachen nie typisch. Dennoch gibt es auch im Englischen modale Hilfsverben, die, ähnlich wie im Deutschen, unregelmäßig konjugiert werden!
Ursprünglich existierten fünf modale Hilfsverben im Englischen:
cunnan, magan, mōtan, willan, shallan.
Obwohl sie Ähnlichkeiten mit den deutschen Entsprechungen aufweisen, sind sie dennoch interessant. In Bezug auf ihre Konjugation hilft das Deutsche erneut. In der ersten und dritten Person Singular fällt die Endung in den ,,Äther", und im Singular erfolgt durchgängig ein Stammvokalwechsel.
I. cunnan - können, fähig sein, imstande sein
ic cann (!)
thou cannst (!!)
he/ heo/ hit cann (!)
wē cunnan
yē cunnon
thiey cunnan
II. magan - mögen, erlauben, dürfen
ic mæg
(!)
thou mægst (!!)
he/ heo/ hit mæg
(!)
wē magan
yē magon
thiey magan
III. mōtan - müssen
ic mot (!)
thou most (!!)
he/ heo/ hit mot (!)
wē mōtan
yē mōton
thiey mōtan
IV. willan - wollen
ic will (!)
thou willst (!!)
he/ heo/ hit will (!)
wē willan
yē willon
thiey willan
Dies ist ein kleiner Sonderfall, da es später in die Sprache aufgenommen wurde, als die Sprache keine Notwendigkeit mehr hatte, den Stammvokal zu verändern. Dennoch ist es vollwertig modalisierend, da die Endungen auch bei ihm sowohl in der ersten wie auch dritten Person Singular wegfallen.
V. shallan - sollen, brauchen (manchmal wollen)
ic shæll (!)
thou shællst (!!)
he/ heo/ hit shæll (!)
wē shallan
yē shallon
thiey shallan
Abschließend, obwohl es kein modales Hilfsverb ist, wird es dennoch unregelmäßig konjugiert, und zwar das Verb ,,witan". Auch wenn wir kein anderes Verb finden können, das ihm genau entspricht, ähnelt seine Konjugation denen der modalen Hilfsverben. Es handelt sich also um ein vollwertiges Verb, das jedoch die Konjugation der modalen Hilfsverben in sich trägt.
witan - wissen
ic weet (!)
thou weest (!!)
he/ heo/ hit weet (!)
wē witan
yē witon
thiey witan
Im Englischen ähneln die Konjugationen dieser letzten Verben am meisten den modernen skandinavischen – also den ursprünglichen – germanischen Sprachen, was die Konjugation angeht!
ic cann (englisch)
jeg kan (norwegisch)
ich kann (deutsch)
ic weet (englisch)
jeg vet (norwegisch)
ich weiß (deutsch)
Ich hoffe, dass es dir gefallen hat, nächstes Mal setze ich mit der Vergangenheit fort!