Fälle im Altenglischen

19.04.2025

Die strukturelle Stabilität einer germanischen Sprache gründet sich in erster Linie auf die Systeme der grammatischen Genuszuweisung sowie der Tempusbildung – ein Prinzip, das grundsätzlich für jede Sprache gilt und im Altenglischen in gleicher Weise zutrifft. Die Dynamisierung des neuzeitlichen Englischen setzte vermutlich vor etwa 300 bis 400 Jahren ein; bis dahin, also ungefähr bis zum frühen 17. Jahrhundert, lässt sich eine vergleichsweise konstante Regelhaftigkeit beobachten, die sich – insbesondere nach dem Zusammenbruch des Weströmischen Reiches im Jahr 476 – über einen Zeitraum von annähernd einem Jahrtausend erstreckte.

In der heutigen Zeit ist es kaum übertrieben zu sagen: Wer sich der englischen Sprache bedient, täte gut daran, sich festzuhalten – nicht nur, weil das moderne Englisch in seiner grammatischen Struktur bei Weitem nicht mehr so effizient ist wie einst, sondern vor allem deshalb, weil vielen nicht einmal bewusst ist, dass es jemals eine komplexere Form dieser Sprache gegeben hat.

Wenn also jemand mit nur einem Arm ein Studium der Violoncello-Akademie abschließt, liegt ein grundlegendes Missverständnis vor – eines, das sich in der heutigen Bildungslandschaft auf frappierende Weise widerspiegelt: Menschen, die nach einem Monat oberflächlichen Lernens sechs Bücher innerhalb von zwei Jahren veröffentlichen. Sie beherrschen keine Disziplin wirklich, beherrschen jedoch das Reden – und hinterlassen sprachlich gesehen meist nichts als inhaltslosen Abfall.

Wer ein Mindestmaß an mathematischem Denken besitzt, kann es sich leicht ausrechnen: Ein Mensch produziert im Leben eine nicht unerhebliche Menge an Exkrementen. Warum also erwähnenswert? Weil diese intellektuelle Ausscheidung oft publiziert, gekauft und konsumiert wird. Das ist das Paradoxon der Demokratie – man darf, kraft eigener Entscheidung, in Unwissenheit verharren. Besonders, wenn Inhalte in vereinfachter Form dargeboten werden: "Im Deutschen konjugiert man Verben." Das wird noch verstanden. Doch sobald es heißt: "Im Deutschen werden Verben nach Modus, Tempus, Numerus und Person flektiert", wird es für viele bereits unzugänglich.

Deshalb ist in didaktischen Kontexten häufig nur der erste Satz präsent – und die Begriffe 'Deutsch', 'konjugieren' oder 'Verb' lassen sich mühelos durch andere ersetzen. Und genau dort entsteht das sprachliche Vakuum. Es ist essenziell, die sprachlichen Fundamente der Vergangenheit zu kennen – sowohl auf theoretischer als auch auf praktischer Ebene. Andernfalls wäre das Tanzen mit einer Partnerin vergleichbar mit dem Drehen eines rostigen Schlüssels im Schloss: unkoordiniert und schmerzhaft.

Und ja, gelegentlich möchte man explodieren wie eine altmodische Kuckucksuhr, wenn jemand behauptet, das sei irrelevant oder zu komplex. Denn der Ursprung jeder sprachlichen Kompetenz liegt im Gewordensein – in der Tiefe der historischen Struktur. Man stelle sich vor: Nicht ich drehe meine Tanzpartnerin, sondern sie dreht sich selbst. Diese Vorstellung ist zwar bildlich, aber ihre Bedeutung bleibt – vielleicht – metaphorisch.

Insgeheim hege ich stets die Hoffnung, dass irgendwann einmal genau jene Person diese Zeilen liest, die tatsächlich daraus lernen sollte. Ich habe diese Hoffnung in eine stille Wette mit mir selbst verwandelt – und verloren. Denn solche Fälle bleiben wohl die Ausnahme. Was jedoch unbestreitbar ist: Das Altenglische verfügte über ein ausgeprägtes Kasussystem, das zwar im modernen Englisch formal nicht mehr vollständig erhalten ist, dessen grammatische Spuren aber bis heute nachwirken – wenn auch oft nur rudimentär.


Kasussystem und Personalpronomina im Altenglischen

1. Nominativ (Subjektsfall)

Der Nominativ dient der Kennzeichnung des Satzsubjekts, also jener Entität, die eine Handlung ausführt oder auf die sich der prädikative Zustand bezieht. Im syntaktischen Gefüge erscheint das Subjekt in der Regel vor dem finiten Verb und markiert die aktive oder stative Rolle im Satz.

Beispielhafte Personalpronomina im Nominativ:

  • ic – ich

  • þū – du

  • hē / hēo / hit – er / sie / es

  • wē – wir

  • gē – ihr

  • hīe – sie

Eine Besonderheit des Altenglischen stellt der Erhalt des dualen Numerus dar – eine morphologische Kategorie, die es erlaubt, spezifisch auf zwei Personen zu verweisen, und die im heutigen Englisch gänzlich verschwunden ist:

  • wit – wir beide

  • gīt – ihr beide

Dieser Dual ist eine seltene archaische Erscheinung, die in vergleichbarer Weise nur in den ostgermanischen Sprachen (z. B. Gotisch) nachgewiesen werden kann und eine sprachhistorisch aufschlussreiche Markierung präziser Personenbezüge darstellt.


2. Akkusativ (Objektsfall)

Der Akkusativ markiert das direkte Objekt eines Satzes, d. h. die Entität, die unmittelbar von der Handlung betroffen ist. Morphologisch unterscheidet sich der Akkusativ oft nur geringfügig vom Nominativ, zeigt jedoch in den Pronomina klare Differenzierung.

Personalpronomina im Akkusativ:

  • – mich

  • þē (þec) – dich

  • hīe / hine / hit – ihn / sie / es

  • ūs – uns

  • ēow – euch

  • hīe – sie (Pl.)

Bestimmte Artikel im Akkusativ:

  • þone – der (mask., Sg.)

  • þā – die (fem., Sg. / Pl.)

  • þæt – das (neutr., Sg.)

Unbestimmte Artikel im Akkusativ:

  • ān – ein (mask., neutr., Sg.)

  • āne – eine (fem., Sg.)


3. Dativ (indirektes Objekt / Empfängerfall)

Der Dativ kennzeichnet das indirekte Objekt und bezeichnet typischerweise den Empfänger oder Betroffenen einer Handlung. Der altenglische Dativ war funktional und formal gut ausgeprägt und erfüllte eine zentrale Rolle im Kasussystem.

Personalpronomina im Dativ:

  • – mir

  • þē – dir

  • him / hire / him – ihm / ihr / ihm

  • ūs – uns

  • ēow – euch

  • him (hīem) – ihnen

Bestimmte Artikel im Dativ:

  • þǣm (þām) – dem (mask./neutr., Sg.)

  • þǣre – der (fem., Sg.)

  • þǣm (þām) – dem (neutr., Sg.)

  • þǣm / þǣm – den (Pl., alle Genera)

Unbestimmte Artikel im Dativ:

  • ǣnem – einem (mask./neutr., Sg.)

  • ǣnre – einer (fem., Sg.)


4. Genitiv (Besitzfall)

Der Genitiv drückt Besitz- oder Zugehörigkeitsverhältnisse aus und steht häufig in attributiver Beziehung zu einem Substantiv. Im Altenglischen war der Genitiv sowohl bei Artikeln als auch bei Pronomina morphologisch klar markiert.

Possessivpronomen (attributiv):

  • mīn – mein

  • þīn – dein

  • his / hire / his – sein / ihr / sein

  • ūre – unser

  • ēower – euer

  • hiera (þāra) – ihr (Pl.)

Personalpronomina im Genitiv (betont oder substantivisch):

  • mīn – meiner

  • þīn – deiner

  • his / hire / his – seiner / ihrer / seiner

  • ūre – unserer

  • ēower – eurer

  • hiera – ihrer

Bestimmte Artikel im Genitiv:

  • þæs – des (mask./neutr., Sg.)

  • þǣre – der (fem., Sg.)

  • þǣra – der (Pl., alle Genera)

Unbestimmte Artikel im Genitiv:

  • ǣnes – eines (mask./neutr., Sg.)

  • ǣnre – einer (fem., Sg.)


Im Altenglischen hing die Form der Artikel also vom Genus, Numerus und Kasus des zugehörigen Substantivs ab. Auch die unbestimmten Artikel wichen in ihrer Form deutlich von dem ab, was man im heutigen Englisch verwendet. Dieses komplexe System war charakteristisch für das Altenglische und wurde im Laufe der Sprachgeschichte zugunsten einer stark vereinfachten Struktur aufgegeben, wie wir sie im modernen Englisch vorfinden. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass gerade aus diesem alten System die heutigen Formen hervorgegangen sind – und bei einzelnen Artikelformen lässt sich diese Herkunft sogar noch deutlich erkennen.