Perfekt im Altenglischen (I.)
Die Einteilung der englischen Tempora ähnelte ursprünglich viel stärker dem heutigen deutschen Tempussystem. Die Funktionen, die heute dem sogenannten Present Perfect zugeschrieben werden, wurden früher vom sogenannten Perfekt übernommen. Dieses hat seine Rolle insofern bis heute behalten, als es verwendet wird, um abgeschlossene Handlungen zu beschreiben, die Auswirkungen auf die Gegenwart haben.
Heutzutage jedoch hängt die Verwendung dieses Tempus im Englischen stärker von temporalen Adverbien (wie never, ever, already usw.) ab, als von der tatsächlichen Relevanz der Handlung für die Gegenwart. Zumindest gilt in der heutigen Auffassung, dass der genaue Zeitpunkt des Geschehens nicht genannt werden darf.
Dabei ist zu beachten, dass das Perfekt als aspektuelle Kategorie nicht mit dem Präsens identisch ist, da es — ebenso wie im Deutschen — auch auf vergangene Ereignisse verweisen kann.
Present Perfektum -> Present Perfect -> Präsensperfekt
Plusquamperfektum -> Past Perfect -> Präteritumperfekt

Wie sah das ursprünglich aus?
Die Zeitform entsprach einer mehrgliedrigen Struktur, deren zahlreiche Merkmale mit dem deutschen Pendant übereinstimmten. Neben ihrer Funktion ist hier auch ihre Bildung zu erwähnen. Da sie aus mehreren Elementen bestand, war klar, dass ein Hilfsverb und eine Verbform im Präteritum notwendig waren – letztere trug die eigentliche Bedeutung des Verbs.
Verbtypen:
I. Schwache Verben
Diese funktionierten eindeutig anders als im Deutschen, denn sie erhielten – unabhängig von der Betonung – nie das Präfix "ge-", das typisch für die west- und südgermanischen Sprachen ist. Was die Verbendung betrifft, so war die Endung "-(e)d" fest etabliert. Verben, die bis heute diese Endung im Präteritum aufweisen, stammen aus dieser Zeit. Später entstanden im Englischen auch solche Verben, die nie irgendein Affix erhielten oder sich lautlich veränderten, wie zum Beispiel das Verb "put".
Ursprünglich wurde die "-an"-Endung des Verbs abgeschnitten und durch "-(e)d" ersetzt. Lautwechsel im Stamm trat dabei nicht auf. Gemeinsames Merkmal dieser Verben war zudem, dass sie später in die Sprache aufgenommen wurden – weshalb keine Notwendigkeit bestand, den Stammvokal zu ändern oder ein Präfix wie "ge-" anzuhängen; stattdessen wurden sie nur durch ihre Endung von den starken Verben unterschieden.
Beispiele:
makan (machen) → makd
später: make → maked
poullan (schieben) → poulld
später: pull → pulled
II. Starke Verben
Die starken Verben wiesen deutlich mehr Gemeinsamkeiten mit dem Deutschen auf. Sie erhielten zumeist das Präfix "ge-", wechselten häufig ihren Stammvokal und endeten typischerweise auf "-an". Spuren dieser Endung lassen sich bei einigen Verben bis heute nachweisen.
Beispiele:
hēlpan (helfen) → geholpan
doan (tun) → gedoan
Die Bildung war hiermit jedoch nicht abgeschlossen, denn für den vollständigen Satz wurde auch ein Hilfsverb benötigt. Alle Verben, die mit Fortbewegung, Zustandsveränderung oder Bewegung verbunden waren, wurden mit dem Hilfsverb "sein" konjugiert, während alle anderen mit dem auch heute gebräuchlichen Hilfsverb "haben" gebildet wurden. Diese beiden Hilfsverben spielten eine zentrale Rolle, da sie nicht nur den Modus und durch ihre Präsensform den Bezug zur Gegenwart anzeigten, sondern auch Person und Numerus markierten. Die eigentliche Bedeutung des Verbs trug die Präteritumsform am Satzende – unabhängig davon, ob es sich um ein starkes oder schwaches Verb handelte.
Beispiele:
Ic eom her geweasan.
– Ich bin hier gewesen.
Thiey sindon swiflice gecuman.
– Sie sind schnell gekommen.
Hwǣt is i dām hāus ǣnterd?
– Wer ist ins Haus hineingegangen?
Diese Sätze zeigen deutlich, dass bei bewegungsbezogenen Verben "sein" als Hilfsverb bevorzugt wurde.
Thou hæfst hiem gesungan.
– Du hast ihnen gesungen.
Wē hæbban manigra wundorlic ting on dæge lærnd.
– Wir haben heute viele wunderliche Dinge gelernt.
Whārfor hæbbon yē da gegangan?
– Warum seid ihr dorthin gegangen?
Später ließ die Sprache zu, dass die Präteritumsform des Verbs neben das Hilfsverb "sprang", ohne jegliche semantische Veränderung. Die Bedeutung des "sein"-Hilfsverbs ging rasch verloren, seine konjugierte Form verschwand allmählich.
So entstand später:
Ic hæbbe geweasan her.
– Ich bin hier gewesen.
Wē hæbban lærnd manigra wundorlic ting on dæge.
– Wir haben heute viele wunderliche Dinge gelernt.
Noch später verschwanden sowohl Präfix als auch Suffix der starken Verben vollständig:
I hæve weas her.
– Ich bin hier gewesen.
Und schließlich entstand gegen Ende des 17. Jahrhunderts die heutige Form samt Konjugation:
I have been here.
– Ich bin hier gewesen.
Wie ersichtlich ist, steht die Entwicklung und Ausbildung des englischen Present Perfect in enger Verbindung mit dem Tempussystem der germanischen Sprachen.